08.03.2016

Zum Internationalen Frauentag
ALMA ROSÉ gewidmet

 

 

Alma wurde am 3.11.1906 in Wien/Wieden geboren, wo sie mit ihrem Bruder Alfred, ihrer Mutter Justine (geborene Mahler) und ihrem Vater Arnold ihre ersten Lebensjahre verbrachte.

Sie wuchs in einer bürgerlich liberalen Familie auf, deren Besonderheit die Musikalität aller Familienmitglieder war. Es ist schwer möglich, Alma nicht vor dem Hintergrund ihres Vaters, des berühmten Geigenspielers, Konzertmeisters der Wiener Philharmoniker und Gründers des Rosé-Quartetts und ihres Onkels, Gustav Mahler zu betrachten.

Alma begann sehr früh Geige zu spielen und wird als sehr talentiert, motiviert, temperamentvoll und ehrgeizig beschrieben. Ihre musikalischen Auftritte als Solistin wurden von den Kritikern jedoch immer an ihrem Vater gemessen, was die Wahrnehmung ihrer Eigenständigkeit als Musikerin bis heute kaschiert.

1930 heiratet Alma den aus Prag stammenden Geigenvirtuosen Vása Príhoda. Die Ehe wird als sehr schwierig beschrieben. In diesen Jahren gründete Alma Rosé die „Wiener Walzermädeln“, ein Kammerorchester, das sich aus jungen, talentierten Musikerinnen zusammensetzte.

1935 wird die Ehe geschieden, Almas Lebensmittelpunkt ist wieder in Wien, wo sie unter anderem immer wieder im Rosé-Quartett auftritt und internationale Konzerttouren mit ihrem eigenen Kammerorchester unternimmt.

1938 stirbt ihre Mutter Justine nach langer Krankheit, ihr Vater Arnold wird unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus der Wiener Staatsoper verwiesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt zeigte sich, dass die schon Anfang des Jahrhunderts vollzogene Konvertierung fast aller Mitglieder der Familien Mahler und Rosé zum Christentum keinen Schutz für jüdische Menschen darstellte.

 

Ihr Bruder Alfred und seine Frau finden nach verzweifelter Suche Ende 1938 Exil in Amerika; Alma bleibt vorläufig bei ihrem Vater in Wien, um ihm behilflich zu sein. Im März 1939 erhalten auch sie endlich Affidavits für England. Mittellos und ohne künstlerisches Engagement in England, unterzeichnete Alma im November 1939 einen Vertrag für ein kurzes Engagement in Holland, den sie immer wieder verlängerte, bis Holland 1940 von den Deutschen besetzt wurde und sie als Jüdin weder arbeiten noch nach England mehr  zurück reisen konnte. Im März 1942, nachdem sie von Versteck zu Versteck zog und gelegentlich Hauskonzerte geben konnte, ging Alma eine Scheinehe mit Constant August van Leeuwen Boomkamp ein, die ihr nur kurze Zeit Schutz vor den beginnenden Deportierungen bot.

Im Dezember 1942 versuchte Alma mit Unterstützung der Résistance in die Schweiz zu flüchten. Sie wurde in Frankreich verraten und bis Juli 1943 in Drancy interniert, von wo sie nach Auschwitz deportiert wurde.

Alma Rosés Name war auch den zahlreichen Musikerinnen aus unterschiedlichen europäischen Ländern im Frauenlager Auschwitz-Birkenau  bekannt. Die Lagerleitung beauftragte Alma, ein professionelles „Mädchenorchester“  zusammen zu stellen, das jederzeit im Lager auf Abruf auftreten musste. In diesem Orchester war sie sowohl Dirigentin als auch Geigerin, gelegentlich spielte sie auch Solos. Einige der überlebenden Frauen beschreiben Alma als sehr streng, ungeheuer professionell und als sehr genau und präzise. In allen Dokumenten beschreiben Frauen aus dem Orchester, dass sie ihr Überleben Alma und der Orchesterstruktur verdanken.

Alma Rosé wird im Vernichtungslager Auschwitz als eine Frau beschrieben, die versuchte, ihre Würde und ihre musikalische Professionalität und Passion aufrecht zu erhalten und von dieser Position aus immer wieder einzelnen Orchestermitgliedern helfen konnte.

Im April 1944 erkrankt Alma Rosé nach einer privaten Feier im Lager. Trotz für Auschwitz intensiver Behandlungs- und Rettungsversuche stirbt sie nach zwei  Tagen. Die genaue Todesursache lässt sich nicht feststellen; medizinwissenschaftliche Meinungen gehen trotz verschiedenster Gerüchte über mögliche Todesursachen von Botulismus als Folge einer Lebensmittelvergiftung aus.

Alma Rosé wurde nach ihrem Tod im Krematorium von Auschwitz verbrannt.  

 

Anna Wexberg-Kubesch

 

 

 

01.03.2016

Ausstellung von Gegenwartskunst an zwei KZ-Gedenkorten


ICH BIN JEHUDA BACON. "Ich wollte kein 'Berufs-KZ-ler' werden“.

 

 

 

 

 

Es sind die Orte Gunskirchen und die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, wo Werke aus dem umfangreichen Schaffen des international bekannten israelischen Malers Jehuda Bacon zum ersten Mal nach 1968 wieder in Österreich gezeigt werden. Der Künstler war als Jugendlicher in beiden Konzentrationslagern gefangen. - Der Holocaust aber begann für Jehuda im Ghetto Theresienstadt wie für die 15.000 ermordeten Kinder, denen im Erinnerungsprojekt NEVER/FORGET/WHY? gedacht wird. - Bei Jehudas Ankunft in Terezin im September 1942 erkannte ihn Arieh Edelstein sofort wieder. Arieh war der Sohn von Jakob Edelstein, des Vorsitzenden des Judenrates. Die beiden Buben schlossen auf einem zionistischen Kinderlager 1939 innige Freundschaft. Nun waren sie gefangen im Ghetto.

Jehuda wurde 1929 in der tschechoslowakischen Grenzstadt Ostrava als drittes und jüngstes Kind jüdischer Eltern geboren. Als die Ausgrenzung der Juden durch die Deutsche Besatzung in Böhmen und Mähren begann, gelang Jehudas jüngeren Schwester Rella als einzige ihrer Familie die Flucht nach Palästina, der Rest der Familie musste nach Theresienstadt. Ein Jahr später wurden sie nach Auschwitz ins sogenannte „Tschechische Familienlager“ deportiert, das sechs Monaten lang unter Quarantäne stand und währenddessen wie Theresienstadt der SS für Propagandazwecke diente. Im Sommer 1944 aber wurde das Familienlager von der SS liquidiert. Jehuda verlor nicht nur seinen besten Freund Arieh, er sah auch seine Liebsten zum letzten Mal. Er selbst wurde mit 89 Buben seines Alters für Transportdienste im Lager selektiert. Im Rollwagenkommando wurde der nun Fünfzehnjährige Augenzeuge von den unfassbaren Vernichtungsstätten, die er durch ungewöhnliche Umstände betreten hat. 
 

Seit vielen Jahren interessieren sich deutsche Medien für den Zeitzeugen Jehuda Bacon. In Österreich aber blieb seine Zeugenschaft des Shoah bisher unbeachtet, dass er während der eiskalten Winter- und nasskalten Frühjahrsmonate 1945 mit 20.000 jüdischen Menschen im grauenvollen Zeltlager von Mauthausen gefangen war. Im April 1945 wurde er auf einen Todesmarsch ins Waldlager Gunskirchen getrieben, wo er schwer erkrankte. Als am 5. Mai 1945 die 71. US-Armee das Lager Gunskirchen befreite, fanden sie kaum Worte für die unmenschlichen Zustände, die dort herrschten. – Jehuda überlebte die Shoah als einziger seiner Familie. Seine Erinnerungen an 2,5 Jahre Gefangenschaft wurden Inhalt vieler Zeichnungen und einige dienten als Beweismittel im Zeugenstand beim Eichmann- und Auschwitz-Prozess. Sie sind heute im Museum der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Israel zu sehen.
Trotz der anfänglich überwiegend dunklen Themen wurde Jehudas Talent als Maler und Zeichner im Waisenhaus Štiřín bei Prag entdeckt. Er wurde von namhaften Künstlerpersönlichkeiten gefördert, die ihm 1946 ein Studium an der Bezalel  Kunstakademie in Jerusalem ermöglichten. Jehuda Bacons Werke sind heute ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk, das sich in einem eigenwilligen Spannungsgeflecht entfaltet. Seine traumatischen Erlebnisse als Jugendlicher durchziehen seine Arbeiten bis zur Gegenwart. Bedeutend an seinen Bildern ist, dass der Künstler kontinuierlich einen Weg beschreitet, auf dem er sich früh der Auseinandersetzung und Begegnung stellt und Versöhnung mit der eigenen Geschichte sucht. Die biografischen Bezüge machen Jehuda Bacon dennoch nicht zum “KZ-Künstler”. Er sagte einmal:
„Es gab einen Moment, da spürte ich, dass ich zum Thema Auschwitz das Meinige getan hatte. Ich wollte etwas Anderes schaffen und kein ‘Berufs-KZ-ler’ werden. Ich wollte nicht mehr nur mit diesem einen identifiziert werden. In vielen meiner Bilder sind zwar Andeutungen zur Lagerthematik enthalten, aber ganz verschlossen, ganz versteckt. Wer es sehen will, sieht es.“
Jehuda Bacon ist überzeugt: „Der Mensch muss im Geistigen, wie auch in der Kunst seine Kraft auf das Gute richten, sonst kehrt sie sich gegen ihn und wirkt zerstörerisch.“ Darum ist es so bedeutend, dass die Werke dieses Künstlers an jenen Orten zu sehen sind, wo die zerstörerische Kraft gegen ihn gerichtet war. In seinen Bildern zeigt er, wie er sie überwinden konnte.
Die beiden Ausstellungen, vom 20. April bis 15. Mai 2016 in Gunskirchen, vom 19. Mai bis 31. Juli 2016 an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, werden konzipiert und realisiert durch eine Projektpartnerschaft der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, BM.I mit dem MKÖ – Antifa, OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, dem MKÖ Ansfelden – Plattform „Wider das Vergessen“, der Marktgemeinde Gunskirchen, Christen an der Seite Israels/Österreich sowie der christlichen Rhema Gemeinde Linz. Finanziell unterstützt werden sie vom Zukunftsfonds der Republik Österreich.
Die Gedenkstätte Mauthausen lädt zur Ausstellungseröffnung am 19. Mai 2016 um 18:00 Uhr sehr herzlich ein, zu der auch der Künstler selbst anwesend sein wird. Eine Anmeldung wird erbeten unter: 01/53126-2782 oder Email: veranstaltungen@mauthausen-memorial.at, online: www.mauthausen-memorial.at.

Angelika Schlackl
(Historikerin und Vermittlerin an der Gedenkstätte Mauthausen sowie für die Ausstellung verantwortliche Projektleiterin)