01.03.2016

Ausstellung von Gegenwartskunst an zwei KZ-Gedenkorten


ICH BIN JEHUDA BACON. "Ich wollte kein 'Berufs-KZ-ler' werden“.

 

 

 

 

 

Es sind die Orte Gunskirchen und die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, wo Werke aus dem umfangreichen Schaffen des international bekannten israelischen Malers Jehuda Bacon zum ersten Mal nach 1968 wieder in Österreich gezeigt werden. Der Künstler war als Jugendlicher in beiden Konzentrationslagern gefangen. - Der Holocaust aber begann für Jehuda im Ghetto Theresienstadt wie für die 15.000 ermordeten Kinder, denen im Erinnerungsprojekt NEVER/FORGET/WHY? gedacht wird. - Bei Jehudas Ankunft in Terezin im September 1942 erkannte ihn Arieh Edelstein sofort wieder. Arieh war der Sohn von Jakob Edelstein, des Vorsitzenden des Judenrates. Die beiden Buben schlossen auf einem zionistischen Kinderlager 1939 innige Freundschaft. Nun waren sie gefangen im Ghetto.

Jehuda wurde 1929 in der tschechoslowakischen Grenzstadt Ostrava als drittes und jüngstes Kind jüdischer Eltern geboren. Als die Ausgrenzung der Juden durch die Deutsche Besatzung in Böhmen und Mähren begann, gelang Jehudas jüngeren Schwester Rella als einzige ihrer Familie die Flucht nach Palästina, der Rest der Familie musste nach Theresienstadt. Ein Jahr später wurden sie nach Auschwitz ins sogenannte „Tschechische Familienlager“ deportiert, das sechs Monaten lang unter Quarantäne stand und währenddessen wie Theresienstadt der SS für Propagandazwecke diente. Im Sommer 1944 aber wurde das Familienlager von der SS liquidiert. Jehuda verlor nicht nur seinen besten Freund Arieh, er sah auch seine Liebsten zum letzten Mal. Er selbst wurde mit 89 Buben seines Alters für Transportdienste im Lager selektiert. Im Rollwagenkommando wurde der nun Fünfzehnjährige Augenzeuge von den unfassbaren Vernichtungsstätten, die er durch ungewöhnliche Umstände betreten hat. 
 

Seit vielen Jahren interessieren sich deutsche Medien für den Zeitzeugen Jehuda Bacon. In Österreich aber blieb seine Zeugenschaft des Shoah bisher unbeachtet, dass er während der eiskalten Winter- und nasskalten Frühjahrsmonate 1945 mit 20.000 jüdischen Menschen im grauenvollen Zeltlager von Mauthausen gefangen war. Im April 1945 wurde er auf einen Todesmarsch ins Waldlager Gunskirchen getrieben, wo er schwer erkrankte. Als am 5. Mai 1945 die 71. US-Armee das Lager Gunskirchen befreite, fanden sie kaum Worte für die unmenschlichen Zustände, die dort herrschten. – Jehuda überlebte die Shoah als einziger seiner Familie. Seine Erinnerungen an 2,5 Jahre Gefangenschaft wurden Inhalt vieler Zeichnungen und einige dienten als Beweismittel im Zeugenstand beim Eichmann- und Auschwitz-Prozess. Sie sind heute im Museum der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Israel zu sehen.
Trotz der anfänglich überwiegend dunklen Themen wurde Jehudas Talent als Maler und Zeichner im Waisenhaus Štiřín bei Prag entdeckt. Er wurde von namhaften Künstlerpersönlichkeiten gefördert, die ihm 1946 ein Studium an der Bezalel  Kunstakademie in Jerusalem ermöglichten. Jehuda Bacons Werke sind heute ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk, das sich in einem eigenwilligen Spannungsgeflecht entfaltet. Seine traumatischen Erlebnisse als Jugendlicher durchziehen seine Arbeiten bis zur Gegenwart. Bedeutend an seinen Bildern ist, dass der Künstler kontinuierlich einen Weg beschreitet, auf dem er sich früh der Auseinandersetzung und Begegnung stellt und Versöhnung mit der eigenen Geschichte sucht. Die biografischen Bezüge machen Jehuda Bacon dennoch nicht zum “KZ-Künstler”. Er sagte einmal:
„Es gab einen Moment, da spürte ich, dass ich zum Thema Auschwitz das Meinige getan hatte. Ich wollte etwas Anderes schaffen und kein ‘Berufs-KZ-ler’ werden. Ich wollte nicht mehr nur mit diesem einen identifiziert werden. In vielen meiner Bilder sind zwar Andeutungen zur Lagerthematik enthalten, aber ganz verschlossen, ganz versteckt. Wer es sehen will, sieht es.“
Jehuda Bacon ist überzeugt: „Der Mensch muss im Geistigen, wie auch in der Kunst seine Kraft auf das Gute richten, sonst kehrt sie sich gegen ihn und wirkt zerstörerisch.“ Darum ist es so bedeutend, dass die Werke dieses Künstlers an jenen Orten zu sehen sind, wo die zerstörerische Kraft gegen ihn gerichtet war. In seinen Bildern zeigt er, wie er sie überwinden konnte.
Die beiden Ausstellungen, vom 20. April bis 15. Mai 2016 in Gunskirchen, vom 19. Mai bis 31. Juli 2016 an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, werden konzipiert und realisiert durch eine Projektpartnerschaft der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, BM.I mit dem MKÖ – Antifa, OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, dem MKÖ Ansfelden – Plattform „Wider das Vergessen“, der Marktgemeinde Gunskirchen, Christen an der Seite Israels/Österreich sowie der christlichen Rhema Gemeinde Linz. Finanziell unterstützt werden sie vom Zukunftsfonds der Republik Österreich.
Die Gedenkstätte Mauthausen lädt zur Ausstellungseröffnung am 19. Mai 2016 um 18:00 Uhr sehr herzlich ein, zu der auch der Künstler selbst anwesend sein wird. Eine Anmeldung wird erbeten unter: 01/53126-2782 oder Email: veranstaltungen@mauthausen-memorial.at, online: www.mauthausen-memorial.at.

Angelika Schlackl
(Historikerin und Vermittlerin an der Gedenkstätte Mauthausen sowie für die Ausstellung verantwortliche Projektleiterin)

10.02.2016

Buchpräsentation

Uli Jürgens "Ziegensteig ins Paradies - Exilland Portugal"

Uli Jürgens ist ein aussergewöhnliches  Buch gelungen. Die Autorin zeichnet mit Hilfe von zeitgeschichtlichen und literarischen Quellen sowie persönlichen Interviews die Fluchtroute von Verfolgten durch das NS-Regime von Südfrankreich nach Portugal nach. Die Lesenden begleiten dabei bekannte und weniger bekannte Menschen aus ihrem Alltag vor Kriegsbeginn mit ihren Plänen, Ängsten und Hoffnungen über die Fluchtwege nach Frankreich, nach Spanien und nach Portugal. Es wird deutlich, wie eng das Netz auf der Flucht wird, wir lesen von Warten, von Willkür, von FluchthelferInnen, von einem unbeugsamen Konsul, von hilfsbereiten Menschen so wie von Verrätern, vom Alltag in Portugal bis hin zur geglückten Ausreise nach Übersee.

18.Februar 2016, 18.30 Uhr 
Jüdisches Museum Wien

Uli Jürgens, Autorin und Regisseurin im Gespräch mit dem Verleger (Mandelbaum Verlag) Michael Baiculescu